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Ratzinger, Hayward oder echte Reue

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Schwanengesang: „Du salbest mein Haupt mit Öl“

Von Holger Eich

Am 11. Juni hat der Stellvertreter Gottes  und Bischof von Rom zum Herz-Jesu-Fest dem „Jahr der Priester“ gedacht und sich in seiner Predigt wieder einmal zum Thema des sexuellen Missbrauchs durch römisch-katholisch Geistliche geäußert. Die Presse war voll des Lobes.

Doch bei genauerer Lektüre seiner vielgerühmten Predigt wird wiederum deutlich, dass Benedikt noch immer nicht von der altbekannten Paranoia der Katholiken lassen kann. Und seine Bemerkungen über die Aufdeckung der Missbrauchspraxis seiner Hirten erst einmal mit den Worten einleitet:

„Es war zu erwarten, dass dem bösen Feind dieses neue Leuchten des Priestertums nicht gefallen würde, das er lieber aussterben sehen möchte, damit letztlich Gott aus der Welt hinausgedrängt wird. So ist es geschehen, dass gerade in diesem Jahr der Freude über das Sakrament des Priestertums die Sünden von Priestern bekannt wurden – vor allem der Missbrauch der Kleinen“.

Da ist sie also wieder die Idee, dass der „böse Feind“ hinter den zahllosen Berichten über die Missbrauchspraxis der Kirche steckt – und dass das eigentliche Problem nicht ist, dass es solche „Sünden von Priestern“ gibt, sondern: dass sie bekannt wurden!

Endlich wagen es – nach Jahrzehnten des ängstlichen Schweigens – Betroffene, die in ihrer Kindheit Schläge, Demütigungen und den Würgereiz des eregierten Penis des Herrn Pfarrer im Rachen ertragen mussten, über ihre Traumata zu reden.

Da steckt in der katholischen Denke schon wieder der „böse Feind“ dahinter – so ist sie: Bens einfache Welt! Wie respektlos und undankbar, dass die Missbrauchs-Betroffenen dem alten Mann das hübsche Jubiläums-Jahr vermiesen!

Und kaum das Thema angesprochen, kommt auch schon wieder der katholische Reflex – Schwamm drüber! Wenn sich  Verleugung nicht mehr ausgeht, dann kommt die rasche Bitte um Vergebung und das aufrechte Versprechen, alles zu tun, „was wir können, um die Rechtheit der Berufung zu prüfen, und dass wir die Priester mehr noch auf ihrem Weg begleiten wollen, damit der Herr sie in Bedrängnissen und Gefahren des Lebens schütze und behüte.“ Die Priester schützen und behüten?

Anstatt die Kinder und potentiellen Opfer vor dem Pfarrer zu behüten, geht es nun also umgekehrt:

Ist denn die Anwesenheit eines Kindes in der Messe eine „Bedrängnis des Lebens“, vor der der römisch-katholische Pfarrer päpstlichen Schutzes bedarf, damit er es nicht nach der Wandlung anal penetriert?

Ist denn der Dreizehnjährige, der im Fußball gewinnt, für den Herrn Bischof eine solche „Gefahr des Lebens“, dass er ihm die Rippen brechen muss?

Was hat der HERR denn da für ein sensibles Team mit Impulskontrollproblemen im Match?

Nein, diese Formen der römisch-katholischen Entschuldigung sind halbherzig, scheinheilig und von der gleichen Motivation getrieben wie die Bekenntnisse des BP-Chefs Tony Hayward:

Wie dieser alles daran setzt, seinen Weltkonzern und die Idee der Tiefsee-Ölbohrungen auf Teufelkommraus aufrecht zu erhalten und die Verseuchung des Meeres als bedauernswerten Kollateralschaden akzeptiert, so ist auch Herr Ratzinger bemüht, das Leck im Kirchenschiff irgendwie und möglichst flott zu stopfen.

Ohne Gedanken daran zu verschwenden, was sein Betrieb und dessen Lehre der Sexualfeindlichkeit und dessen hierarchische Strukturen von Gehorsam und Unterdrückung jeglicher Kritik damit zu tun haben, dass die „Großen“ die „Kleinen“ systematisch quälten, erniedrigten und vergewaltigen.

Und wie dem einen bekanntlich „nicht in den Sinn gekommen“ ist, zurückzutreten, so reitet auch Ben 16 unverdrossen weiter, wirft Steine auf einzelne Priester – aber sagt nirgends: „ICH habe gefehlt“.

Nein! Wir glauben dem Herrn Ratzinger seine Reue nicht! Die Idee, die Kirche müsse (sich vor) Priester(n) schützen, die Missbraucher oder pädosexuell sind und sich dann in das Amt hineinschleichen könnten, ist bemüht, aber nicht ausreichend – das betont nur die eigene Skepsis dem Personal gegenüber.

Was ist mit jenen, die schon in Amt und Würden waren? Und von Diözese zu Diözese gereicht worden sind? Und noch werden? Und noch sind?

Freilich, es gibt es auch Hoffnungsschimmer! Wenn man – wie in der Steiermark – Pfarrer nach anfänglicher Suspendierung wieder einstellt, weil sie keine Pädosexuellen, sondern homosexuell oder „nur“ Exhibitionisten sind, so freue ich mich als Sexualtherapeut über die plötzliche römisch-katholische Liberalität in Fragen sexueller Vorlieben.

Ist das nun endlich der Anfang der römisch-katholischen Akzeptanz von nichtehelichen sexuellen Präferenzen auch außerhalb des Priesterberufs? Ist Homosexualität und Exhibitionismus jetzt endlich auch bei uns Nicht-KlerikerInnen okay?

Ein ausgefeilteres Casting für Priesteranwärter mit Psycho-Tests, wie es demnächst in Mariazell beschlossen werden soll, ist eine charmante Idee.

Spannender wäre es allerdings, wenn die römisch-katholische Kirche sich fragen würde, wie sie ursprünglich gutmütige Menschen in ihren Reihen durch ihre Lehren und Strukturen zu Kreaturen macht, die nach und nach beginnen, ihre Macht über die „Kleinen“ dazu nützen, diese zu quälen und dies sexuell oder narzisstisch wollüstig zu genießen.

Aber darüber spricht der Stellvertreter Gottes und  Bischof von Rom eben gerade nicht!

Und dass er in derselben vielgerühmten Predigt beim Galopp über die Psalme 23 („Du salbest mein Haupt mit Öl“), 119 und 139 betont: „Gerade der Gebrauch des Stockes kann ein Dienst der Liebe sein“ macht deutlich, dass der Oberhirte nichts, aber auch gar nichts, verstanden hat .

Dass dass der Stellvertreter Gottes  kein Gefühl hat für die Betroffenen. Und nicht versteht, dass es nicht nur um sexuellen Missbrauch geht, sondern vor allem – um den Respekt  vor Kindern.

Vermutlich stopft selbst jemand wie Herr Hayward schneller seine Löcher –  als der Greis von Rom.