29.4.10 Hearing im Parlament: Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt richtet 10 Fragen an die Politik
30 Apr, 2010 in AllgemeinMissbrauch und Verbrechen in der Kirche:
10 Fragen an die Politik
1. Vertretung der Opfer: Die einzige kirchenunabhängige Stelle, welche derzeit Opfer kirchlicher Gewalt vertritt, ist unsere private Initiative. Wollen Sie diese Plattform unterstützen? Wenn ja: Wie? Politisch, finanziell? Wenn nein: Warum nicht?
2. Verjährung: Sind Sie dafür, die gültigen Verjährungsvorschriften für sexuellen Missbrauch wie in anderen Staaten (Schweiz bereits umgesetzt, in Holland in Vorbereitung) abzuschaffen ggf. auch rückwirkend?
3. Aufarbeitung:
Irland: Erst durch die unabhängige staatliche Untersuchungskommission wurde das wahre Ausmaß der jahrzehntelangen kirchlichen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche bekannt. Planen Sie eine ähnliche Kommission bzw. sind Sie dafür eine ähnliche Kommission einzusetzen? Wenn nicht, warum nicht?
4. Klasnic-Schönborn Kommission: Die österr. Justizministerin hat die Untersuchungskommission, welche die Kirche selbst eingesetzt hat und selbst bezahlt, als zuständig für die Aufarbeitung der Fälle bezeichnet. Ist es nunmehr Politik dieser Regierung, bzw. wie stehen Sie zu dieser Politik, dass Täterorganisationen grundsätzlich selbst für die Untersuchung und allfällige Aufarbeitung ihrer Vergehen zuständig sind? Darf man also davon ausgehen, dass z.B. die Hypo Alpe Adria selbst mögliche Vergehen untersucht? Falls andere Täterorganisationen nicht selbst ihre möglichen Vergehen untersuchen sollen, warum wurde dies gerade der kath. Kirche zugestanden?
5. Beweissicherung:
Basierend auf einer Anordnung des früheren Leiters der Glaubenskongregation, Kardinal Ratzinger wurden alle Dokumente im Zusammenhang mit Missbrauch in den Vatikan üerbracht. en.wikipedia.org
Wir müssen deshalb davon ausgehen, dass in geheimen Kirchenarchiven umfassendes Dokumentationsmaterial über Vorfälle der Vergangenheit lagert. Mit diesen Informationen könnten Täter überführt werden und Opfer ihre Schadenersatzansprüche erfolgreich durchsetzen. Werden Sie die Kirche auffordern diese Archive der Öffentlichkeit und der Justiz gegenüber zu öffnen?
6. Beweismittel wurden außer Landes geschafft: Wie stellen Sie sicher, dass diese Beweismittel den ermittelnden Staatsanwälten zur Verfügung gestellt werden? Werden Sie an Behörden im Vatikan ein Ansuchen um Amtshilfe (zur Sicherstellung bzw. Beschlagnahmung der Beweismittel) richten? Laufen in Österreich entsprechende Hausdurchsuchungen in kirchlichen Einrichtungen?
7. Melde- und Anzeigepflicht: Sexueller Missbrauch wurde von der katholischen Kirche jahrzehntelang systematisch vertuscht. Was jetzt an die Oberfläche kommt, war vielen kirchlichen Verantwortungsträgern längst bekannt. Bisher konnten die Täter aber sicher sein, dass die Kirche keine strafrechtlichen Schritte setzt. Die derzeitige Gesetzeslage sieht keine Pflicht zur Anzeige vor, sind Sie dafür hier Änderungen vorzunehmen?
8. Wie wollen Sie sicher stellen, dass Kinder und Jugendliche in Zukunft nicht mehr von Mitgliedern der Institution Kirche missbraucht werden?
Entschädigung:
Viele Betroffene brauchen dringend psychotherapeutische Unterstützung, bzw. haben dafür in der Vergangenheit große Kosten dafür aufgewendet. Es ist für sie allerdings eine enorme Demütigung sich gerade bei der Kirche als derjenigen Organisation, wo die Übergriffe und Verbrechen stattgefunden haben, zu melden und um Kostenerstattung zu bitten.
9. Viele Betroffene konnten ihr Leben lang nicht die Gewalt verarbeiten, welche Ihnen im Rahmen der Kirche angetan wurde. Sie, ihre Familien und ihr Freundeskreis sind davon stark mitbetroffen. Eine finanzielle Entschädigung wäre symbolisches Zeichen der Wiedergutmachung. Allerdings ist es unzumutbar und neuerlich traumatisierbar, dass dies als Almose von der Kirche gewährt wird. Unterstützen Sie einen staatlichen Fonds, der allen Opfern zu Verfügung steht?
10. Nachdem die Vorfälle in der Kirche, unter Wissen und Vertuschung selbst von Bischöfen geschehen ist, muss die Kirche für diesen Schaden aufkommen. Unterstützen Sie den Vorschlag, dass die Kirche aus ihrem Vermögen diesen Opferfonds speisen muss? Wie sehen Sie die derzeitige Situation, in welcher die Kirche mittels der Klasnic-Schönborn-Kommission direkt Einfluss darauf nimmt, wer bezugsberichtigt und wer nicht bezugsberechtigt ist? Wie sehen Sie die Notwendigkeit einer kirchenunabhängigen Anerkennung von Entschädigung?