Ansprüche zweier Missbrauchsopfers gegen das Kloster Mehrerau sind nicht verjährt.
(Bregenz, Wien: 23.1.2013. PUR) – Christian C. und Bruno G. (Namen geändert) haben zu Jahresbeginn 2012 am Landesgericht Feldkirch gegen das Kloster Mehrerau in Bregenz Zivilrechtsklagen auf Schmerzengeld und Verdienstentgang in der Höhe von Euro 200.000.- bzw. 135.000.- eingebracht. Beide Kläger wurden als Schüler von Pater Johannes B. schwer sexuell missbraucht. Der Täter war schon 1968 wegen sexueller Gewalt gegen einen Buben strafrechtlich verurteilt worden und wurde trotzdem vom Kloster beschäftigt. Entgegen dem Verjährungseinwand durch das Kloster, stellte das Gericht nun fest, dass beide Fälle (1968, 1982) nicht verjährt sind.
Täter im Ausland versteckt
Konsequent hat das Kloster Mehrerau eine Aufklärung der Missbrauchsfälle zu verhindern versucht. Abt Anselm van der Linde und sein Prior bestätigten vor Gericht, den Aufenthaltsort des Täters im Ausland zu kennen, verweigerten jedoch die Bekanntgabe der Adresse. Demzufolge konnte das Gericht den Täter nicht als Zeuge zu den Missbrauchsfällen sowie zum Wissen seiner Mitbrüder befragen.
Wissen über frühere Missbrauchstaten wurde geleugnet
Das Kloster behauptete tatsachenwidrig, vom sexuellen Missbrauch des Täters nichts gewusst zu haben. Altabt Kassian Lauterer teilte noch im März 2012 per Presseaussendung mit, es hätte bei seinem Amtsantritt keine Hinweise gegeben. Bei der Zeugeneinvernahme im Oktober 2012 musste der Altabt eingestehen, dass er 1968 vom damaligen Prior über die sexuellen Übergriffe informiert worden sei und sogar entsprechende Vermerke im Personalakt vorfand. Trotzdem setzte er den Täter als Lehrer im Gymnasium, als Erzieher und später sogar als Leiter des Internates ein.
Übernimmt Kloster Mehrerau endlich Verantwortung?
Offen ist, ob das Kloster gegen diese Urteile berufen wird. „Die Entscheidung von Abt Anselm van der Linde, diese Urteile zu akzeptieren oder zu bekämpfen wird sichtbar machen, inwieweit die heutige Kleriker-Generation bereit ist, zu den folgenschweren Verfehlungen der Vergangenheit zu stehen und dafür endlich die Verantwortung zu übernehmen“ erklärt der Anwalt der Kläger Sanjay Doshi.
Kläger sind durch Gerichtsentscheidung gestärkt
Die Kläger reagierten erleichtert auf diese Entscheidung: „Für mich ist die Aufarbeitung der erlittenen sexuellen Gewalt vor einem unabhängigen Gericht eine wichtige Anerkennung! Endlich ist die Wahrheit ans Licht gekommen, ich fühle mich ernst genommen. All das hätte die Klasnic-Kommission – bei der ich nur ein rechtloser Bittsteller gewesen wäre – nie leisten können“ sagt etwa Bruno G. Christian C., der zweite Betroffene, möchte das Gerichtsurteil vorerst nicht kommentieren.
Akzeptiert das Kloster die Gerichtsentscheidungen, werden die Verfahren fortgesetzt, um über die Haftung und gegebenenfalls über die Höhe des Schadenersatzes zu entscheiden.
Urteil für Plattform ein Meilenstein
Für Sepp Rothwangl, Obmann der Plattform Betroffener Kirchlicher Gewalt, sind diese Urteile Meilensteine: „Erstmals in der Geschichte dieses Landes sind die Ansprüche von Opfern einer kirchlichen Einrichtung bei Gericht nicht wegen Verjährung abgewiesen worden. Wir erwarten jetzt, dass mit diesem Urteil ein Damm gebrochen ist und viele Betroffene Klagen gegen kirchliche Einrichtungen einbringen werden. Das größte Verbrechen der 2. Republik muss vor unabhängige Gerichte und nicht vor eine kircheneigene Entschädigungsabteilung“ so Rothwangl.
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