Vorarlberg, 27.4.2012, derstandard.at
Trotz bekannter Missbrauchsfälle durfte ein Pater mehrere Jahre am Gymnasium unterrichten. Kloster und Schulbehörde zeigten nicht an
Bregenz – Eintragungen über einen Missbrauchsfall verschwinden aus dem Personalakt, ein Gerichtsakt ist zwar in aller Munde, aber keiner hat ihn gesehen. Die Schadenersatzprozesse gegen das Kloster Mehrerau werfen immer mehr Fragen auf. Etwa jene, ob die Schulbehörde informiert wurde. Schließlich sind lehrende Patres des Privatgymnasiums mit Öffentlichkeitsrecht Gehaltsempfänger des Landesschulrats.
Pater Johannes, der seine pädophile Neigung und mehrere Übergriffe auf Schüler 2004 bei Polizeieinvernahmen eingestand, unterrichtete im katholischen Elitegymnasium Biologie und Chemie, obwohl er das Studium nie abgeschlossen hatte und obwohl sexuelle Übergriffe und seine Neigung zu körperlicher Gewalt seit 1967 bekannt waren. 1981 wurde er sogar zum Regens, Leiter des Internats, bestellt.
Pater nach Tirol versetzt
1982, nachdem Eltern den Missbrauch ihres Sohnes beim Abt anzeigten, wurde der Pater nach Tirol versetzt, war bis zu seiner Suspension 2010 Pfarrer in Sautens, bis 2002 unterrichtete er an der Volksschule Religion.
Ein Disziplinarverfahren der Schulbehörde wurde nicht durchgeführt. Nach heutigem Recht würde die Handlungsweise des Lehrers zur sofortigen Kündigung führen. „Früher waren die Amts- und Standespflichten mindestens so streng“, sagte Jurist Gebhard Heinzle und verweist darauf, dass „die Dienstbehörde grundsätzlich ein Verfahren nachholen könnte“. Das Argument Verjährung gelte hier nicht.
Heute, da zwei Gewaltopfer Schadenersatz in der Gesamthöhe von 335.000 Euro einklagen, will man im Kloster von Ermittlungen und einer früheren Verurteilung des beschuldigten Paters nichts wissen.
Schweigen im Kloster
Noch 2004 gab der damalige Abt Kassian Lauterer zu Protokoll, laut Personalakt habe die Polizei 1967 gegen den Pater ermittelt, „weil er sich sexuell an Buben herangemacht hatte“. Im März ließ er den PR-Beauftragten des Klosters aussenden: „In den Personalakten gab es keinerlei Unterlagen oder Hinweise.“ Damals habe man über „derartige Ereignisse einfach geschwiegen“. Der amtierende Abt Anselm van der Linde sagte am Donnerstag vor Gericht aus, im Personalakt sei nichts zu finden. Löschungen könne nur der jeweilige Abt vornehmen, antwortete er auf Nachfrage der Richterin.
Nicht auffindbar scheint auch jener Gerichtsakt zu sein, der über die Verurteilung des Priesters Ende der 1960er-Jahre Aufschluss geben könnte. Den Akt anzufordern sei im Zivilverfahren Sache der Parteien, sagt Reinhard Flatz Sprecher des Landesgerichts Feldkirch. „Das ist Aufgabe der Gegenseite, sagt Kloster-Vertreter Ber-tram Grass. Der Anwalt der Kläger, Sanjay Doshi, widerspricht: „Da wir keine der damals involvierten Parteien vertreten, haben wir keine Möglichkeit, zu diesem Akt zu kommen.“