Kloster stellt Glaubwürdigkeit von Kläger infrage
26 Apr, 2012 in Betroffene berichten, MedienberichteVorarlberg, 26.4.2012, vorarlberg.orf.at
Im Prozess eines 58-Jährigen gegen das Kloster Mehrerau am Landesgericht Feldkirch haben Rechtsvertreter des Klosters die Missbrauchsvorwürfe des ehemaligen Schülers angezweifelt. Die beiden Zivilprozesse wurden vertagt.
Am Landesgericht Feldkirch wurden am Donnerstag gleich zwei Klagen gegen das Kloster Mehrerau verhandelt. Zwei ehemalige Internats-Zöglinge gehen zivilrechtlich gegen das Kloster vor, weil sie Schadenersatz für jahrelange und schwere sexuelle Misshandlung verlangen. Beide Zivilprozesse wurden vertagt.
Ein ehemaliger 58 Jahre alter Schüler stand am Donnerstag zum zweiten Mal vor Gericht. Beim ersten Prozess und auch noch zu Beginn der Verhandlung am Donnerstag waren die Übergriffe von beiden Seiten unbestritten.
Berufliche Laufbahn durch Missbrauch zerstört
Der 58-Jährige wirft dem Kloster vor, dass er über drei Jahre hinweg sexuell schwer misshandelt wurde. Er klagt das Kloster auf Schadenersatz und Verdienstentgang in Höhe von 200.000 Euro. Er gab an, durch den schweren sexuellen Missbrauch sei seine solide berufliche Laufbahn verhindert worden. Die Folgen seien so schwer, dass er mit 30 Jahren seinen Beruf aufgab und Jobs als Tellerwäscher oder Taxifahrer angenommen habe. Jetzt arbeite er als Künstler. Auch sein Privatleben sei völlig zerstört worden. In Beziehung zu Frauen, habe er diese nur noch als „Müllkübel für seine Geilheit gesehen“.
Wogen im Gerichtssaal gingen hoch
Der Rechtsvertreter des Klosters Mehrerau sagte nach der Einvernahme des 58-Jährigen, für das Kloster sei nicht sicher, dass der Mann tatsächlich misshandelt wurde. Dessen Aussagen seien nicht glaubwürdig. Als der Rechtsvertreter dies zu Protokoll gab, gingen die Wogen im Verhandlungssaal hoch: Der Kläger erhob sich mit wilden Gesten vom Stuhl und bedachte den Verteidiger des Klosters mit wenig schmeichelhaften Worten. Erst nach einiger Zeit konnte er von der Richterin und von seinem Rechtsvertreter wieder gemäßigt werden.
Vernehmung des Paters könnte ausschlaggebend sein
Eine zentrale Rolle im Zweifel um die Missbrauchsvorwürfe könnten frühere Ermittlungen gegen den damaligen Peiniger gespielt haben. Der des Missbrauchs beschuldigte Pater, der das Internat damals leitete, hat bei einer Befragung durch die Polizei nämlich mehrere Namen von Schülern, die er missbraucht hat, genannt. Der Name des 58-jährigen Klägers taucht da aber nicht auf.
Psychologisches Gutachten über Kläger wird erstellt
Nun sollen weitere Zeugen Klarheit bringen. Auch der angebliche Peiniger, der Pater des Klosters, soll zu Wort kommen. Dieser Umstand sorgte abermals für Aufruhr im Verhandlungsaal. Abt Anselm van der Linde sagte nämlich, er sei von diesem Pater gebeten worden, dass dessen Adresse nicht bekannt gegeben werde. Er sei nämlich schwer depressiv und suizidgefährdet. Außerdem wird noch ein psychologisches Gutachten über den 58-jährigen Kläger erstellt.
Zahlung als Teil einer Wiedergutmachung?
Abt Anselm van der Linde, der als Zeuge geladen war, sollte befragt werden, wozu genau dem ehemaligen Schüler 500 Euro gegeben wurden. Der Prior des Klosters sagte bei der ersten Verhandlung aus, das Geld sei ausschließlich zur Finanzierung des Zugtickets zur Klassnic-Kommission in Wien gewesen.
Im Hintergrund steht die Frage, ob die Zahlung als Teil einer Wiedergutmachung und damit als Schuldeingeständnis gesehen werden kann.
Zweites Verfahren gegen das Kloster
In einem zweiten Verfahren gegen das Kloster Mehrerau, das am Donnerstag aufgenommen wurde, klagt ein heute 45-Jähriger 135.000 Euro an Schmerzengeld und Verdienstentgang ein. Der Mann wurde seiner Schilderung zufolge vor den Osterferien 1982 vom selben Pater wie der 58-Jährige massiv sexuell missbraucht. Der Pater war gegenüber den Schülern zwar offenbar immer wieder gewalttätig, von sexuellen Übergriffen sei ihm aber damals nichts bekannt gewesen. „Lange Zeit dachte ich, ich wäre der einzige“, sagte der 45-Jährige vor Gericht.
Die Eltern des 45-Jährigen hatten den damaligen Mehrerau-Abt Kassian Lauterer über den sexuellen Missbrauch ihres Sohnes durch den Pater informiert. Daraufhin wurde dieser aus dem Schuldienst entfernt, als Priester suspendiert und versetzt. Im Gegenzug verzichteten die Eltern auf eine Anzeige gegen den Pater.
Fortsetzungstermine noch nicht bekannt
Im Mittelpunkt des Verhandlungsauftakts am Donnerstag stand die Frage der Verjährung. Der Anwalt des Klägers, Sanjay Doshi, ist der Ansicht, dass die Klage noch rechtzeitig vor der 30-jährigen absoluten Verjährungsfrist eingebracht wurde. Für die Fortsetzung des Prozesses werden zahlreiche Zeugen geladen, darunter Alt-Abt Lauterer. In beiden Fällen wurden noch keine Fortsetzungstermine genannt.