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Umgang mit Missbrauch: Druck auf EKD-Chefin Kurschus wächst

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Im Fall einer möglichen Vertuschung von sexueller Belästigung durch einen evangelischen Kirchenmitarbeiter wächst der Druck auf die EKD-Ratsvorsitzende, Annette Kurschus. Möglicherweise war einer der mutmaßlichen Betroffenen noch minderjährig.

Einem Mitarbeiter der evangelischen Kirche werden sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Nun steht zunehmend auch der Umgang der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dem Fall in der Kritik. Berichte der „Siegener Zeitung“ legen nahe, dass Annette Kurschuss seit langem über die Missbrauchsvorwürfe gegen den Kirchenangestellten Bescheid wusste. Möglicherweise war sogar ein Minderjähriger von den Übergriffen betroffen.

EKD-Chefin will erst 2023 von Vorwürfen erfahren haben

Bei der EKD-Synode in Ulm hatte die Ratsvorsitzende am Dienstagabend beteuert, erst Anfang dieses Jahres durch eine anonyme Strafanzeige von den Vorwürfen erfahren zu haben. „Vorher hatte ich keine Kenntnis“, sagte Kurschus und kritisierte die „Siegener Zeitung“ dafür, „Andeutungen und Spekulationen“ zu verbreiten. Und: „Ich bin entsetzt und wütend, aktuell so furchtbare Schilderungen über eine Person zu erfahren, von der ich bislang nur ein anderes Gesicht wahrgenommen hatte“.

Mutmaßlicher Betroffener war möglicherweise minderjährig

Wie die „Siegener Zeitung“ nun berichtet, sei einer der mutmaßlichen Betroffenen zum Tatzeitpunkt möglicherweise erst 13 Jahre alt gewesen. Dies habe die zuständige Staatsanwaltschaft Siegen der Zeitung bestätigt.

Nach bisherigem Ermittlungsstand war nur bekannt, dass der Kirchenmitarbeiter im Kirchenkreis Siegen, wo Annette Kurschus lange Pfarrerin war, sexuelle Übergriffe gegenüber jungen volljährigen Männern begangen haben soll. An der Glaubwürdigkeit der Zeugen zweifeln nach Darstellung der Zeitung weder Staatsanwaltschaft noch die evangelische Kirche.

Staatsanwaltschaft befragt weitere Zeugen

Es sei noch nicht klar, ob die aufgekommenen Vorwürfe strafrechtlich relevant seien. Laut Staatsanwaltschaft sind weitere Befragungen geplant, unter anderem eines Mannes, der ebenfalls Anschuldigungen erhoben habe und dessen Alter „stutzig“ mache, zitiert die Siegener Zeitung Patrick Baron von Grotthuss, den Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Berücksichtige man das Alter des Mannes sowie den mutmaßlichen Tatzeitraum, so „reden wir hier möglicherweise von einem zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Taten minderjährigen Betroffenen“.

EKD-Chefin bleibt bei ihrer Aussage

Ein Sprecher der westfälischen Landeskirche, der Kurschus als Präses vorsteht, sagte am Donnerstagabend der Katholischen Nachrichtenagentur mit Blick auf die Erklärung der EKD-Chefin vom Dienstag: „Ihr ist nichts hinzuzufügen.“ Kurschus bleibt also weiterhin bei ihrer Aussage.

Zeugen schildern den Sachverhalt anders

Dem steht ein Bericht der Siegener Zeitung vom Mittwoch gegenüber, laut dem zwei Personen eidesstattlich versichert haben, Kurschus habe bereits Ende der 1990er Jahre bei einem Gespräch in ihrem Garten von den Vorwürfen gegen den Kirchenmitarbeiter erfahren. Kurschus hatte am Dienstag erklärt, dabei sei zwar die sexuelle Orientierung eines inzwischen des Missbrauchs beschuldigten Kirchenmitarbeiters, „aber zu keiner Zeit der Tatbestand sexualisierter Gewalt thematisiert worden“.

Die Zeitungsredaktion gibt überdies an, einen Brief des Beschuldigten eingesehen zu haben, in dem dieser zwei Teilnehmern rechtliche Schritte wegen der erhobenen Beschuldigungen androht. Er beziehe sich in dem Schreiben explizit auf das Gespräch im Garten von „Annette“. Zudem soll Kurschus Patentante eines der Kinder des Beschuldigten sein, wie die Zeitung berichtet.